Petroleumlampen aus ehemaligen Modérateur-Lampen
Frankreich war zweifellos die führende Nation in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Europa. Die französische Revolution gegen Ende des 18. Jahrhunderts und die kurz darauf folgenden Eroberungszüge der Napoleonischen Ära haben dem damaligen Europa ihren politischen und militärischen Stempel aufgedrückt. Auch in der Entwicklung der Lampen war Frankreich absolut führend. Nach der epochemachenden Erfindung von Ami Argand wurden in Frankreich viele technische Innovationen in der Lampentechnik realisiert. Dazu gehören zweifellos die Sinumbra-, Uhrwerk- und Modérateur-Lampen, allesamt Öllampen mit ausgeklügelter Technik und auch künstlerisch sehr hochwertig.
Besonders die Modérateur-Lampen waren so weit verbreitet und hatten sich als unverzichtbare Haushaltsgegenstände für das wohlhabende Bürgertum so gut etabliert, dass sie sogar bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hergestellt und vermarktet wurden, obwohl die Petroleumlampen ab ca. 1865 eine marktbeherrschende Stellung gewannen.
Viele ehemalige Modérateur-Lampen wurden später zu Petroleumlampen umgewandelt, da man diese künstlerisch anspruchsvollen Lampen nach wie vor behalten, aber mit einem besseren, preisgünstigeren, moderneren Brenner betreiben wollte. Eine Möglichkeit dazu bestand darin, die innenliegende Federtechnik und den Ölbrenner zu entfernen, das Ölreservoir als Petroleumtank zu benutzen und einen Petroleum-Brenner aufzusetzen. Diese Version benötigte aber eine gedrungene Lampenbauweise, damit der Weg des Petroleums bis zum brennenden Docht nicht zu lang wurde.
Die zweite Version konnte man dagegen mit den balusterförmigen, langhalsigen Modérateur-Lampen realisieren. Hier hat man auf den schmalen, langen Hals der Lampe ein geeignetes Glasbassin zusammen mit einem Petroleum-Brenner installiert. Man musste dafür nur noch den Ölbrenner entfernen; die restliche Modérateur-Technik (und teilweise auch das ganze alte Öl) konnten drin bleiben.
Eine dritte Variante bestand darin, dass man den Ölbrenner einfach mit einer Elektrofassung ersetzte und damit aus der altehrwürdigen Modérateur-Lampe eine Elektrolampe machte. Diese Art Umgestaltung dürfte natürlich erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgt sein. Einige solcherart zu Elektrolampen „aufgewertete“ Lampen habe ich dann selbst zu Petroleumlampen umgewandelt, indem ich nun die Elektrofassung durch ein Glasbassin ersetzt habe. Diese Lampen erleben sozusagen ihr drittes „Leben“.
Die aus ehemaligen Modérateur-Öllampen umgestalteten Petroleumlampen sind selbstredend urfranzösische Lampen. Daher möchte ich die Vorstellung meiner französischen Lampen mit diesen Lampen starten. Diejenigen Lampen, die meine Sammlung bereichern, habe ich in den nächsten zwei Sammelfotos abgebildet.
Ehemalige Modérateur-Lampen, zu Petroleum-Lampen umgewandelt
Von links: L.128 – L.140 – L.165 – L.237 / L.234 (Valentine Saint-Gaudens) – L.161 – L.078 – L.228
Die ersten vier Lampen im obigen Foto haben die typische, doppelt-zylindrische, gedrungene Form von Modérateur-Lampen aus sehr plastisch gedrücktem Messingblech. Auf L.128 sind vier allegorische Figuren (Kunsthandwerk, Amor, Literatur und Musik symbolisierend) dargestellt, die mit inhaltlich passendem Rahmenschmuck voneinander getrennt sind. Die Tulpe ist von St. Louis.
Die Lampe L.140 zeigt Käfer auf plastisch dargestellten, großen Blättern. Diese Lampe ist mit meinem einzigen 14‘‘‘ Diamant-Brenner von Schwintzer & Gräff bestückt. Auf der Lampe L.165 sind allegorische Darstellungen von vier Kontinenten (Europa, Asien, Afrika und Amerika) in Gestalt von Frauen zu bewundern, die mit ihrer Bekleidung und Umgebung die damals vorherrschenden Meinungen über diese Kontinente wiedergeben. Ein schöner, fein geätzter Kugelschirm von St. Louis in Melonenform verziert die Lampe.
L.237 war ursprünglich keine Modérateur-Lampe, sondern eine Federwerk-Pumpenlampe. Selbstverständlich wurde irgendwann die gesamte, filigrane Federwerk-Technik entfernt, um daraus eine Petroleumlampe zu machen. Als ich sie entdeckte, war sie schließlich elektrifiziert und mit einem hässlichen Stoffschirm der 1970’er Jahre „aufgewertet“. Rein äußerlich unterscheidet sich diese Lampe nicht von den Modérateur-Lampen. Hier ist ein St. Louis-Schirm für Gaslampen verwendet.
L.234 ist ein sehr schönes, auch hervorragend erhaltenes Beispiel für Porzellan aus der Porzellanmanufaktur Valentine in Saint-Gaudens bei den Pyrenäen. Diese Lampe besitzt noch ihren Ständer, der bei den damaligen, vornehmen Kundenkreisen sehr gefragt war. Wieder eine schöne Tulpe von St. Louis komplettiert die Lampe.
L.161 könnte ein Unikat sein. Bei dieser Lampe hat man eine alte chinesische Vase mit der typischen Farbzusammenstellung „Famille rose“ kurzerhand in der Mitte abgesägt, um daraus eine Modérateur-Lampe zu konstruieren. Die etwas ungleichmäßige, oktogonale Form der Vase zwang die Lampisten, ebenso ungleichmäßige, aber hier exakt passende Messingmonturen herzustellen. Der Kugelschirm ist von Vianne.
L.078 ist mit einer streng zylindrischen Porzellanvase aus China bestückt, deren Boden man abgesägt hatte, um die Modérateur-Technik einzuführen. Diese und andere, ähnlich bemalte Vasen werden Kanton-Ware genannt, da sie in dieser chinesischen Hafenstadt für den Export nach Europa angeboten wurden.
Die große, aufwändig bemalte Lampe L.228 war elektrifiziert, als ich sie bekam. Mit einem schön geschliffenen Kristallbassin, einem 20-linigen Brenner und passenden Kugelschirm habe ich sie zu einer Petroleumlampe umgearbeitet. Auf der Vase sind zwei antike Szenen aus altrömischen Zeiten dargestellt.
Weitere ehemalige Modérateur-Lampen aus Porzellan bzw. Keramik
Von links: L.008 – L.329 (Samson) – L. 106 und L. 336 (beide Bayeux) / L.316 – L.317 – L.090 (Satsuma-Ware) – L.335 (Gien)
Die ersten Lampen aus fein bemaltem Porzellan haben fast die gleiche Gestalt, die der Lampe aus Valentine Saint-Gaudens ähnelt (siehe oben). L.008 ist vorne und hinten mit üppigen Blumensträußen bemalt. Ein Kugelschirm von St. Louis schmückt die Lampe. L.329 ist ein Erzeugnis der Pariser Porzellanmanufaktur Samson, die durch gelungene Kopien von namhaften Porzellanmanufakturen einen Namen machte. Die Lampe hier ist mit einer sehr fein bemalten Chinoiserie-Szene geschmückt.
Ähnliche Chinoiserie-Szenen wurden auch von der Porzellanmanufaktur Bayeux in der Normandie angeboten. L.106 hat einen typisch in chinesischem Stil bemalten Porzellan-Korpus. Die Lampe ist herrlich polychrome bemalt mit mehreren Personen, Palmen, Blumen, Schmetterlingen, Musikinstrumenten, etc. L.336 von der gleichen Manufaktur hat die typische Balusterform von Modérateur-Lampen. Vorne ist eine chinesische Szene im Kanton-Stil bemalt; hinten ist die Vase mit üppigem Blumenschmuck und Schmetterlingen verziert. Das Kristallbassin von Baccarat habe ich eingefügt.
Die Porzellanvasen der ersten beiden Lampen im rechten Foto weisen die langhalsige Balusterform auf. Beide Lampen waren elektrifiziert. Mit aufgesetzten Glasbassins habe ich sie zu Petroleumlampen umgestaltet. Die Porzellanvase von L.316 ist mit einer Genreszene vollflächig bemalt. Solche Szenen mit jungen Müttern und ihren kleinen Kindern trifft man relativ oft auf kleineren und größeren Modérateur-Lampen. Hinten sind meistens Häuser, umrahmt von Bäumen, bemalt. Die Manufaktur dieser Porzellanerzeugnisse ist mit leider unbekannt. Die Tulpe ist von St. Louis. L.317 aus schwarz glasierter Keramik weist hingegen eine spärliche Bemalung hauptsächlich in Goldtönen auf. Das Bassin ist von Baccarat, der Tulpenschirm ist wiederum von St. Louis.
Die letzten zwei Lampen im Foto sind eigentlich entworfen und angefertigt, um in den französischen Hängelampen eingesetzt zu werden. Ich habe sie als Tischlampen mit breiten Tulpenschirmen bestückt. L.090 hat eine kugelige Vase als Satsuma-Ware mit Signatur. Die breite Tulpe ist eine britische Gaslampentulpe, die auf einem von mir gebauten Kugelring sitzt. L.335 hat eine bemalte Keramik-Vase aus der berühmten „Renaissance“-Reihe der Keramikmanufaktur Gien. Diese Lampe ist mit einer breiten Tulpe aus bemaltem Milchglas bestückt.