Rundbrenner mit Flammscheibe
Die ersten Rundbrenner waren bekanntlich die Kosmos-Brenner, die sich von bis dahin gebräuchlichen Argand-Brennern durch ihren seitlichen Lufteinlass unterscheiden. Die längliche, in vielen Fällen dreieckige Öffnung an der Seite des Brandrohrs ermöglichte ja zum ersten Mal, dass solche Brenner an beliebigen Petroleumtanks benutzt werden konnten, da sie kein Luftrohr benötigten, das durch den Petroleumtank ging und nach unten offen sein sollte. Mit einem Mal war es möglich, Petroleumtanks von ganz anderen Materialien als Metall einzusetzen. Die große Zeit der Glasbassins mit all ihren Gestaltungsmöglichkeiten war geboren! Dieser große Vorteil der seitlichen Luftzufuhr war eine in jeder Hinsicht epochemachende Errungenschaft. Es galt, diesen Vorzug bei möglichst vielen, weiter entwickelten Brennern beizubehalten. So kam es, dass man bei einer Vielzahl von größeren Brennern, die in 1880-1900 in Deutschland und Österreich entwickelt wurden, die seitliche Luftzufuhr beibehalten hat.
Aber auch der altehrwürdige Argand-Brenner mit dem zentralen Luftzug von unten konnte nach Aufkommen der Petroleumlampen eine Renaissance erleben. Die Schiebe- oder Studentenlampen von C.A. Kleemann aus Erfurt waren mit Argand-Brennern für Petroleum bestückt, und hatten damit einen großen Markterfolg. Später waren vorwiegend die belgischen Lampenproduzenten, die große Rundbrenner mit Zentralluftzug in ihren Lampen einbauten. Diese Brenner waren nun, im Gegensatz zu klassischen Argand-Brennern, viel größer in ihren Dimensionen und wurden ebenfalls mit Flammscheiben betrieben. Belgische Lampenproduzenten konnten damit (wesentlich früher als die deutschen Hersteller) große Markterfolge in USA und Großbritannien feiern. Möglicherweise verdanken die US-Amerikaner den gewaltigen technologischen Sprung von den archaisch wirkenden Flach- und Duplexbrennern zu den viel leistungsfähigeren Zentralluftzug-Brennern ab ca. 1880 dem Erfolg dieser belgischen Lampen in den USA.
Die Entwicklung in dieser Zeit ging eindeutig zu größeren, eine höhere Helligkeit erzeugenden Brennern, da auch die Lampen im Laufe der Zeit immer größer, prunkvoller wurden, zur Befriedigung einer wachsenden, anspruchsvollen Kundschaft. Die Kosmos-Brenner waren am effektivsten bei kleinen und mittleren Größen. Mit wachsender Größe konnte man nicht die erhoffte Flammenhelligkeit bekommen. Die großen Kosmos-Brenner waren daher unwirtschaftlich. Die großen Brenner mit der entsprechenden Flammscheibe haben diese Lücke sehr vorteilhaft geschlossen.
Die Flammscheibe
Die Brenner dieses Typs unterscheiden sich von den Kosmos-Brennern im ersten Blick dadurch, dass sie am oberen Ende ihres Brandrohrs einen speziellen Aufsatz besitzen, die Flammscheibe (oder auch „Brandscheibe“ bzw. „Brennscheibe“) heißt. Daher hat man diese Brenner allgemein Flammscheiben-Brenner genannt. Die Flammscheibe ist das wichtigste Unterscheidungsmerkmal dieser Brenner von allen anderen Rundbrennern. Ihre Art und ihre Größe bestimmen auch maßgeblich die Sorten der Glaszylinder, die notwendigerweise mit diesen Brennern zu benutzen sind. So ist eine Klassifizierung der Flammscheiben-Brenner am vernünftigsten anhand ihres Flammscheiben-Typus vorzunehmen. Daher werde ich die chronologische Entwicklung dieses Brennerteils und ihre Beschreibung in nächsten Kapiteln detailliert vornehmen.
Dieser spezielle Aufsatz, der aus der Mitte des Brandrohrs herausragt, hat entweder eine flache, runde Scheibe, die auf einem dünnen Stift bzw. Rohr befestigt ist, oder ähnelt einem Hut, der auf einem breiten, mit kleinen Löchern versehenen Rohr sitzt (das sind die bekanntesten Flammscheiben-Typen in Europa). Die Flammscheibe erfüllt zwei wichtige Aufgaben: Zum einen dient sie dazu, die schlauchförmige, zylindrische Flamme des Dochts in die Breite zu zwingen, also zu verbreitern und damit eine größere Flammenoberfläche zu schaffen. Zum zweiten drückt sie den inneren Luftzug, der entlang an ihrer Scheibe nach oben strömen muss, an die innere Flanke der Flamme. Durch diese zwei Maßnahmen erzielt man eine korbähnlich verbreitete Flamme, die mit dem zwangsweise intensiveren Luftkontakt heller brennt.
Die Flammscheibe ist kein fester Bestandteil des Brenners; sie ist einfach in das Brandrohr hinein gesteckt und ist fast immer leicht abnehmbar, was im Nachhinein ein Unglück ist, denn es werden heute z.B. bei eBay viele Brenner dieses Typs (bzw. Lampen, die einen solchen Brenner besitzen) angeboten, ohne jedoch die dazu gehörige Flammscheibe, weil sie in der Zwischenzeit verloren gegangen ist! Ein Brenner dieses Typs ist aber ohne die richtige Flammscheibe verbrennungstechnisch unnütz, denn ein konzeptionell vorbereitetes, optimales Brennen mit breiter, heller Flamme ist ohne diese Flammscheibe unmöglich.
Es gibt sehr viele Flammscheiben mit völlig unterschiedlichem Aussehen. Insbesondere in den USA aber auch in Belgien hat man Versionen entworfen, die sich von den bekannten Ausführungen ziemlich unterscheiden. Hier einige Beispiele von Flammscheiben, um die große Variationsbreite der Konstruktionen zu demonstrieren:
Einige Flammscheiben unterschiedlicher Art
Obere Reihe, von links: Lampe Belge, Lempereur & Bernard, Lüttich
15‘‘‘ Brillant Meteor-Brenner, R. Ditmar, Wien
15‘‘‘ Elektra-Brenner, Gebr. Brünner, Wien
20‘‘‘ Intensiv-Brenner, Schmidt & Jaedicke, Berlin
#2 Zentralluft-Brenner, Bradley & Hubbard, USA
Untere Reihe, von links: 30‘‘‘ Blitzlampenbrenner, ULUM, Hoffmann, Sebnitz
#2 Zentralluft-Brenner, Bristol Brass & Clock Co., USA
20‘‘‘ Saturn-Brenner, R. Ditmar, Wien
15‘‘‘ Titus-Brenner, Wetzchewald & Wilmes, Neheim
10‘‘‘ Splendidus-Brenner, R. Ditmar, Wien
Brenner mit einer kleinen Flammscheibe
Die Erfindung der Flammscheibe geschah früh, in 1840’er Jahren in Liverpool („Liverpool button“), um die Flamme des Argand-Brenners noch heller zu gestalten. Die ersten Flammscheiben bestanden aus einer einfachen Scheibe mit relativ kleinem Durchmesser, die auf einem dünnen Stift saß. Zur Aufnahme dieses Stifts besaß der Brenner mitten im Brandrohr ein schmales Rohr. Der Stift konnte in diesem schmalen Rohr bis zu einer gewissen Tiefe eingesteckt werden, damit die kleine Flammscheibe die mit empirischen Versuchsreihen ermittelte optimale Distanz zur Oberkante des Brandrohrs und damit auch zum Docht hatte. Die deutsche Bezeichnung „Flammscheibe“ leitet sich von dieser kleinen, flachen Scheibe ab.
Diese an sich für Ölbrenner (Brenner für pflanzliche Öle wie auch für die späteren Leuchtöle noch vor Petroleum) erfundene Flammscheibe wurde später auch in den Petroleum-Rundbrennern eingesetzt. Die Form und Größe blieben zunächst erhalten. Die ersten Brenner von 15-20 Linien aus deutscher und österreichischer Entwicklung hatten diese kleine Scheibe auf einem dünnen Stift bzw. Rohr. Entweder hatten die Brenner in ihrem Brandrohr ein fest angebrachtes Rohr mit entsprechendem Durchmesser, um die Flammscheibe mit einem einfachen Stift hinein zu stecken, oder hatten die Flammscheiben selbst fest angesetzte Abstandhalter am unteren Teil ihres Stiftes oder Rohrs, um im Brandrohr genau zentriert zu werden (alle 5 Flammscheiben im folgenden Foto haben solche Abstandhalter). Die Erweiterung der Flamme war durch die relativ kleine Scheibe eher bescheiden. Den großen Vorteil dieser Flammscheibe bekam man in der Kombination mit einem „Knick-Zylinder“, wobei die kleine Scheibe schon oberhalb des Knicks, im schmalen Zylinderbereich saß. Dadurch erzielte man eine wesentlich hellere Flamme durch den intensivierten Luftkontakt (siehe Knick-Zylinder).
Die große Zeit dieser Brenner im Kontinental-Europa war ca. 1880-1890. Fast alle bekannten Brennerhersteller in Deutschland und Österreich hatten Brenner mit einer kleinen Flammscheibe in ihrem Angebot. Die bekanntesten unter diesen Herstellern waren Carl Holy (Odin- und Brillant-Brenner), Ehrich & Graetz (Rex-Brenner), Stobwasser (Victoria-Brenner), Carl Rakenius (Mars-Brenner), alle in Berlin, und R. Ditmar (Sonnenbrenner) in Wien.
Einige Brenner mit kleiner Flammscheibe auf Stift oder Rohr
Von links: 14‘‘‘ Victoria-Brenner von Stobwasser, Berlin
15‘‘‘ Rex-Brenner von Ehrich & Graetz, Berlin
15‘‘‘ Sonnenbrenner von R. Ditmar, Wien
16‘‘‘ Odin-Brenner von Carl Holy, Berlin
20‘‘‘ Odin-Brenner von Carl Holy, Berlin
Brenner mit einer großen Flammscheibe
Einige Jahre später hat man den Durchmesser der Flammscheibe doch vergrößert, um noch breitere Flammen mit mehr Lichtausbeute zu erzielen. Diese größeren Scheiben saßen immer noch an den herkömmlichen Metallstiften oder schmalen, langen Rohren, überwiegend ausgestattet mit Abstandhaltern zum exakten Zentrieren im Brandrohr, aber die größere Flammenbreite erforderte jetzt unten breitere Glaszylinder. Die Größe der Flammscheibe bestimmte auch die Art des Glaszylinders, der an diesem Brenner zu verwenden war; jetzt brauchte man breitere Zylinder, deren Knickstelle wie eine weiche Schulter aussah. Im Gegensatz zu den Knick-Zylindern bei der kleinen Flammscheibe war dieser Schulterbereich jetzt oberhalb der Flammscheibe angesetzt (siehe Flaschen-Zylinder).
Insbesondere die größeren Brenner mit 20-25 Linien hatten jetzt einen erheblich nach oben verlängerten Deflektor, so dass er sogar bei manchen Brennern das Brandrohr überragte. Die obere Kante des Deflektors war leicht nach innen gewölbt, um die Luft regelrecht auf die Flamme zu lenken. Dadurch wurde die Flamme zunächst etwas nach innen gedrückt, um unmittelbar danach durch die breite Scheibe der Flammscheibe wie ein Korb auseinandergezogen zu werden. Alle diese Maßnahmen hatten nur ein Ziel: einen immer intensiveren Luftkontakt zur Flamme zu erzeugen.
Diese Brenner waren auch die ersten, die oft mit einem neuartigen Dochttrieb bestückt wurden. Um die Dochteinführung in das Brandrohr zu vereinfachen, hatte man eine innenliegende, vertikale Zahnstange integriert, die eine damit verbundene, zylinderartige Konstruktion mit speziellen Krallen vertikal nach oben oder unten bewegen konnte. Dieser zusätzliche Metallzylinder befand sich unterhalb des Brandrohrs. Mit Hilfe der angebrachten Krallen konnte man den jetzt doch sehr großen Docht einfacher in den Brenner einbringen (siehe Docht und Dochttrieb).
Um 1890 dominierten die Brenner mit der größeren Flammscheibe den Markt. Die frühen Übersichtskataloge von Stoll und Goldberg listen viele solche Brenner, die möglicherweise das „Non plus ultra“ für die Brenner der damaligen Zeit darstellten. Selbstverständlich waren wieder fast alle deutschen Brenner-Hersteller mit entsprechenden Brennern auf dem Markt.
Nach langen Jahren der Kosmos-Brenner-Herstellung entwickelten Wild & Wessel ausgehend aus ihrem Kosmos-Brenner ihren ersten Flammscheiben-Brenner, den Kosmos-Vulkan-Brenner, der immer noch einem Kosmos-Brenner ähnelte, aber eine große Flammscheibe auf dünnem Stift hatte. Daraus wurden die Vulkan- bzw. Central-Vulkan-Brenner mit einem sehr innovativen, perfekt angepassten Glaszylinder entwickelt. Diese Brenner brauchten keinen dezidiert nach oben verlängerten Deflektor, denn die Aufgabe eines solchen Deflektors übernahm jetzt ein speziell entwickelter Glaszylinder („Kniff/Kugel-Zylinder“; siehe Spezielle Zylinder).
Unter den vielen anderen deutschen Herstellern waren wieder Carl Holy (Concurrenz-Brenner), Stobwasser (Prometheus-Brenner), Schubert & Sorge (Intensiv-Brenner), C.F. Kindermann (Columbus-Brenner), Kästner & Töbelmann (Adler-Brenner), um nur einige zu nennen. Es gab noch viele andere, die solche Brenner in ihrem Programm hatten. In Österreich waren Gebr. Brünner mit ihrem Reform-Brillant-Brenner vertreten.
Einige Brenner mit großer Flammscheibe auf Stift oder Rohr
Von links: 16‘‘‘ Central Vulkan-Brenner von Wild & Wessel, Berlin
20‘‘‘ Prometheus-Brenner von Stobwasser, Berlin
20‘‘‘ Brillant Reform-Brenner von Gebr. Brünner, Wien
20‘‘‘ Concurrenz-Brenner von Carl Holy, Berlin
20‘‘‘ Columbus-Brenner von Kindermann, Berlin
Amerikanische Fingerhut-Flammscheibe mit vielen Löchern
In den USA tat sich lange Zeit nichts, was man als einen Meilenstein in der Brenner-Entwicklung bezeichnen könnte. Die kleinen und großen Flach- und Duplex-Brenner waren hier lange die bevorzugten Brennerarten neben den langsam den Markt erobernden Zentralluftzug-Brennern nach belgischer Art. Ein wesentlicher Verbesserungssprung kam erst um 1884, als Rochester Lamp Co. in USA eine neuartige Flammscheibe vorstellte (Patent von Leonhard Henkle), die von den bisherigen Flammscheiben in jeder Hinsicht unterschiedlich war. Sie bestand aus einem zylindrischen Rohr, dessen obere Ende komplett geschlossen und das untere Ende völlig offen war. Die Seiten des Rohrs waren mit unzähligen kleinen Löchern versehen. Dieses Rohr passte genau in die Öffnung des Brandrohrs; man schloss das innere Brandrohr quasi mit dieser Fingerhut-ähnlichen Flammscheibe nach oben ab. Die vielen kleinen Löcher an der Wand des Rohrs dienten zur gezielten Leitung des inneren Luftstromes an die inneren Flanken der Flamme, wodurch eine bessere Verbrennung des Petroleums ermöglicht wurde, was eine hellere Flamme zur Folge hatte. Diese neuartige Flammscheibe war ein großer Markterfolg in den USA. Sie wurde fast ein Markenzeichen für alle Zentralluftzug-Lampen. Die US-Amerikaner waren unermüdlich daran, die Form dieser Flammscheibe ständig zu ändern, um ihren Effekt noch zu steigern (wodurch sie sich allerdings vom ursprünglichen Fingerhut-Typus z.T. gewaltig entfernten). Jede Änderung, egal wie klein und unwichtig sie auch war, wurde gleich patentiert. Die Patent-Daten wurden auf diesen Flammscheiben minutiös verewigt, was im Konkurrenzkampf um Marktanteile sicherlich nicht hinderlich war. Diese Flammscheiben-Hysterie hatte zu Folge, dass einerseits jeder amerikanische Lampenhersteller unzählige Flammscheiben unterschiedlichen Aussehens in ihren Lampen verbaute, und andererseits die Flammscheibe einen recht ungewöhnlichen Stellenwert erlangte, denn sie trug jetzt meistens auch das Logo der Lampenfirma und nicht das Dochtrad, wofür in Europa nur das Dochtrad vorgesehen war.
Diese Fingerhut-Flammscheibe hatte später eine echte Renaissance in Deutschland, wo sie sich als die zweckmäßigste Flammscheibe für die sog. Weißlicht-Brenner etablierte (siehe unten, Der Weißlicht-Brenner mit Fingerhut-Flammscheibe).
"Hut-auf-Siebrohr“-Flammscheibe
Nach dem Aufkommen und dem großen Erfolg der völlig anders konzipierten Fingerhut-Flammscheibe und ihrer unzähligen Versionen in USA war ihr Erscheinen und Vermarktung in Europa nur noch eine Zeitfrage. Dass ihr Markterfolg in Europa eher spät begann, war mit der großen Dominanz der deutschen Brenner auf dem Markt begründet, die noch an dem Konzept der großen Scheibe auf dem Stift festhielten. Die neuartige Flammscheibe kam zwar spät nach Europa, bekam aber hier ein einheitliches Aussehen: Hier saß eine doch recht breite, wie ein flachgedrückter Hut aussehende, an den Seiten leicht nach unten gewölbte Scheibe auf dem mit kleinen Löchern versehenen, breiten Rohr. Ich nenne diese Flammscheibe „Hut-auf-Siebrohr“, um den Typus prägnant und unverwechselbar zu beschreiben.
Spätestens dann, als Ehrich & Graetz 1895 ihren berühmten Matador-Brenner mit dieser neuartigen Flammscheibe auf den Markt brachten, war der Damm in Deutschland gebrochen! Diese Brenner hatten einen dermaßen großen Markterfolg, dass nun alle Brennerhersteller bestrebt waren, ähnliche Brenner mit der gleichen Flammscheibe zu entwickeln und zu vermarkten. Sogar die renommierte Firma Wild & Wessel war gezwungen, diesem Markttrend zu folgen, und entwickelte die Agni- und Kronos-Brenner mit einer ähnlichen Flammscheibe. Mit dem Markterfolg der Matador-Brenner wurden die früher dominierenden deutschen Brenner mit den flachen Flammenscheiben vom Markt verdrängt.
Auch dieser Typus Brenner mit der hutähnlichen Flammscheibe bekam unzählige Nachahmer. Jeder namhafte Brennerhersteller stellte ähnliche Brenner her, mit geringfügigen Modifikationen der hutähnlichen Flammscheibe, und nannte seinen Brenner mit unterschiedlichen Fantasie-Namen, da man die Bezeichnung „Matador“ nicht benutzen durfte. Bei manchen Konkurrenz-Brennern (z.B. Augusta-Brenner von Otto Müller, Ideal-Brenner von Brökelman, Jaeger & Busse, Hugo-Brenner von Hugo Schneider, Gladiator-Brenner der französischen Firma Societé Industrielle), ist es mitunter sehr schwierig, überhaupt irgendwelche Unterschiede im Vergleich zu den Matador-Brennern von Ehrich & Graetz zu finden!
Einige Brenner mit Flammscheibe vom Typ „Hut auf Siebrohr“
Von links: 20‘‘‘ Matador-Brenner von Ehrich & Graetz, Berlin
20‘‘‘ Bürger-Brenner von Carl Holy, Berlin
20‘‘‘ Agni-Brenner von Wild & Wessel, Berlin
22‘‘‘ Kaiser-Brenner von Eckel & Glinicke, Berlin
22‘‘‘ Titan-Brenner von Kästner & Töbelmann, Erfurt
Die Flammscheiben-Brenner hatten sich endgültig als die besseren Brenner im Markt durchgesetzt. Einfache oder kleine Lampen wurden nach wie vor mit Kosmos-Brennern ausgestattet, da ihre Effizienz (= abgegebene Helligkeit im Vergleich zu verbrauchtem Petroleum) insbesondere bei kleinen Brennern sehr gut war. Aber die großen, ansehnlichen, mit vielen Dekorationen versehenen Salonlampen verlangten nach größeren, weiter entwickelten Brennern. Hier waren die Flammscheiben-Brenner die bessere Wahl, obwohl sie aufgrund ihrer größeren Dimensionierung auch mehr Petroleum verbrauchten. So ist es nicht verwunderlich, dass alle namhaften Lampen- und Brennerhersteller eine große Auswahl solcher Brenner im Angebot hatten.
Der Weißlicht-Brenner mit Fingerhut-Flammscheibe
Eine zwar geringfügige, aber jetzt von außen gut sichtbare Abweichung von der oben beschriebenen Form der Rundbrenner gab es im späten 19. Jahrhundert, als unter dem Konkurrenzdruck der wesentlich helleren Glühstrumpf-Lampen sog. Weißlicht-Brenner entwickelt wurden, die von der gewöhnlichen Form der Rundbrenner dahingehend abweichen, dass ihr Korb eine zylindrische Form aufweist und viel länger in die Höhe gezogen ist, um die zur Erzeugung einer helleren, weißeren (daher der Name) Flamme notwendige größere Menge Luft einströmen zu lassen.
Auch die Flammscheibe dieser Brenner weicht von der oben geschilderten Form der Flammscheibe vom Typ „Hut auf Siebrohr“ ab. Man ging wieder zurück zum Typus „Fingerhut“, wie er vor 20 Jahren von Leonhard Henkle in USA entwickelt und zu Patent gemeldet wurde. Diese Form ist tatsächlich mit einem Fingerhut gut vergleichbar, mit dem Unterschied, dass sie zylindrisch ist und nicht konisch wie bei einem Fingerhut.
Diese Flammscheibe vom Typus „Fingerhut“ hatte folglich nicht die Aufgabe, die Flamme in die Breite zu drücken, sondern einfach mit möglichst viel Luft zu kontaktieren. Aufgrund der fehlenden Verbreiterung der Flamme konnte man jetzt ganz zylindrische Glaszylinder ohne jedweden Bauch einsetzen. Die erzeugte Flamme war also eher zylindrisch und aufgrund der erhöhten Luftzufuhr etwas in die Höhe gezogen. Der erhoffte Erfolg am Markt stellte sich nicht ein; die Glühlicht-Brenner konnten nicht erfolgreich bekämpf werden, denn auch die Helligkeit der Weißlicht-Brenner erreichte die hohe Lichtintensität von Glühstrümpfen nicht. Der Grund lag einfach daran, dass mehr Luftzufuhr, d.h. mehr Sauerstoffzufuhr zur Verbrennung nicht automatisch eine proportional entsprechende, hohe Helligkeit erzeugte, sondern zum Teil eine höhere Flammentemperatur bewirkte; man bekam eine viel heißere Flamme!
Zur Erklärung: Die Lichterzeugung einer brennenden Flamme beruht darauf, dass sich einzelne Kohlenstoff-Teilchen, die in den Molekülen der durch die Hitze der Flamme gasförmig gewordenen Kohlenwasserstoff-Ketten enthalten sind, eine Weile so stark erhitzen, dass sie zum Glühen anfangen und ihr Glühlicht aussenden, bevor sie vollständig verbrannt und dadurch zum Kohlendioxyd-Gas umgewandelt werden. Die Reaktion des Kohlenstoffs mit dem Sauerstoff zum Kohlendioxyd (chemisch gesehen ist die Verbrennung eben eine Oxydation) ist exotherm. Das besagt, dass bei dieser chemischen Reaktion eine Menge Hitze freigesetzt wird. Das ist auch der Grund, warum eine Flamme sehr heiß ist. Also zunächst geschieht eine Vergasung, d.h. Umwandlung der Petroleum-Bestandteile in einen gasförmigen Zustand. Danach werden diese Bestandteile so stark erhitzt, dass sie ihre „Glüh-Temperatur“ erreichen und Licht aussenden. In dieser Phase verhalten sich die einzelnen Kohlenstoffatome wie extrem kleine Körper, sozusagen wie Mikro-Glühstrümpfe, die glühen. Kurz darauf vereinigen sie sich mit dem Luftsauerstoff, bilden das Gas Kohlendioxyd, setzen bei dieser Reaktion Hitze frei, und entweichen gasförmig oben aus dem Glaszylinder in den Raum. Die hohe Kunst der Brenner-Entwicklung brachte im Laufe der Zeit Brenner-Konstruktionen hervor, die die Phase der Lichtemission kurz vor der endgültigen Verbrennung stark optimiert haben. Und das geschah ganz ohne Computer, sondern nur durch langwieriges, geduldiges, empirisches Probieren.
Die Glühlicht-Brenner nutzen die exotherme Reaktion der Kohlenstoff-Verbrennung ganz gezielt, um die speziellen, sehr glühwilligen Metalloxyde (früher Cer- und Thoriumoxide; die letzteren wurden jetzt ersetzt durch Yttriumoxide), die im Glühstrumpf eingebettet sind, bis zu ihrer Glühtemperatur aufzuheizen. Ihre Brenner sind so entwickelt, dass das meiste Petroleum nicht zur Erzeugung einer hell leuchtenden Flamme, sondern zur Bildung einer fast blauen, nicht leuchtenden, aber dafür umso heißeren Flamme verbrannt wird. Erst diese hohe Hitze bringt den Glühstrumpf mit einem hellen Licht zu glühen. Aufgrund ihrer Konstruktion erinnern manche Glühlicht-Brenner an Weißlicht-Brenner; sie sind oft mit einem ähnlichen, zylindrischen bzw. leicht konischen Korb bestückt, der aber relativ gedrungen ist und sich am oberen Ende doch erheblich verbreitert. Auch die verwendeten Flammscheiben ähneln sich stark, da sie vom gleichen Fingerhut-Typus sind. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist die Hängevorrichtung für den Glühstrumpf aus einem Metalldraht, der aus dem Brennerkorb nach oben ragt. Diese Ähnlichkeit kann problematisch sein, da alte Glühstrumpf-Brenner sehr oft ohne den dazugehörigen Hängedraht für den Glühstrumpf angeboten werden, und somit ein Verwechseln mit herkömmlichen Weißlicht-Brennern möglich ist.
Zwei Weißlicht-Brenner mit ihren Brandrohren und Flammscheiben
Links: 20‘‘‘ Intern-Brenner von Kästner & Töbelmann, Erfurt
Rechts: 20‘‘‘ Maxum-Brenner von Eckel & Glinicke, Berlin
Im folgenden Bild habe ich die vier Haupttypen der in Europa gebräuchlichen Flammscheiben dargestellt. Die jeweils zu den Flammscheiben zugeordneten Schemata veranschaulichen die Beeinflussung der Luftströme durch die eingesetzten Flammscheiben. Ich habe versucht, die Fotos und die Schemata so zu gestalten, dass ihre Größenverhältnisse miteinander einigermaßen vergleichbar sind. Die miteingezeichneten Glaszylinder zeigen die notwendige, richtige Auswahl des Zylinders. Die Flammscheiben sind in Rot, Luftströme in Hellblau und die Glaszylinder in Grün gezeichnet. Die Flammscheibentypen und ihre Entwicklung sind oben beschrieben.
Die vier europäischen Typen der gebräuchlichen Flammscheinen (Alle von 20-linigen Brennern zum direkten Vergleich. Obere Reihe: Eine reale Flammscheibe als Beispiel – Untere Reihe: Einsatz im Brenner mit den resultierenden Luftströmen)
Von Links: Kleine Scheibe meist auf einem kurzen Stift oder Rohr (nötig: Knick-Zylinder) – hier als Beispiel: Oberteil der Flammscheibe von 20‘‘‘ Odin-Brenner, Carl Holy.
Große Scheibe meist auf einem langen Rohr (nötig: Flaschen-Zylinder) – hier als Beispiel: Oberteil der Flammscheibe von 20‘‘‘ Columbus-Brenner, Kindermann.
„Hut-auf-Siebrohr“-Typ mit breiter Hutkrempe (nötig: Kugel-Zylinder) – hier als Beispiel: Flammscheibe von 20‘‘‘ Matador-Brenner, Ehrich & Graetz.
Fingerhut-Typ ohne Hutkrempe für Weißlicht-Brenner (nötig: Gerade-Zylinder) – hier als Beispiel: Flammscheibe von 20‘‘‘ Maxum-Brenner, Eckel & Glinicke.
Natürlich gab es mehrere Variationen von diesen Haupttypen der Flammscheiben. Lempereur & Bernard in Belgien haben eine zweistufige Scheiben-Flammscheibe entwickelt. Bei den Triumph-Lampen von E&G (und bei den Elektra-Brennern von Gebr. Brünner) wurde eine eigentümliche Hut-Flammscheibe mit einem langen Aufsatz oben verwendet. Belgische Zentralluftzug-Lampen hatten teilweise recht fantasievolle „Hut-auf-Stift“-Versionen. Es wird ganz offensichtlich, dass alle Brennerhersteller bemüht waren, sich durch außergewöhnliche Flammscheibendesigns von der Konkurrenz abzusetzen.
Flammscheiben-Brenner mit zentralem Luftzug
Die dritte Variante der Rundbrenner basiert wieder auf dem Prinzip von Argand, indem sie ihre Luftzufuhr nicht durch eine seitliche Öffnung des Brenners, sondern genau nach Argand’scher Konstruktion von unten durch ein nach unten hin offenes Rohr bekommen. Ihr großer Unterschied (abgesehen von der verwendeten Brennflüssigkeit) zum alten Ölbrenner von Argand besteht darin, dass sie jetzt eine Flammscheibe benutzen, und dadurch eine optimale Verbrennung des Petroleums mit hoher Lichtausbeute ermöglichen. Der Nachteil dieser Konstruktion ist – wie auch oben geschildert – die Notwendigkeit eines fest eingebauten Rohrs im Bassin. Infolgedessen können nur Metallbassins (fast immer aus Messingblech) verwendet werden, um das Rohr zur zentralen Luftzufuhr unten fest anzulöten. Damit verliert man die große Vielfalt der Bassins aus anderen Materialien wie Glas, Porzellan, etc. Ein zweiter Nachteil ist die zwangsweise Festlegung des zu verwendenden Brenners; da das Rohr zum zentralen Luftzug gleichzeitig das innere Brandrohr darstellt, muss der übrige Brenner exakt darauf angepasst sein. Das Ergebnis ist ein Petroleumtank kombiniert mit einem exakt darauf abgestimmten, nicht einfach ersetzbaren Brenner. Ein Brenner-Wechsel, wie bei den Brennern mit der seitlichen Luftzufuhr sehr gut möglich ist, ist hier ausgeschlossen. Natürlich kann man auch einen defekten Brenner mit zentralem Luftzug wechseln, aber nur mit einem bauidentischen Brenner des gleichen Herstellers.
Zwei Länder haben eine große Anzahl von Lampen mit zentralem Luftzug gebaut und auch sehr erfolgreich vermarktet: Belgien und USA. In Belgien waren es Lempereur & Bernard, die diese Art von Lampen in den Markt eingeführt haben, und ihre Nachfolger Louis Sépulchre, Moreau Frères, Caby und Albert Wauthoz. In den USA hat diese Art von Lampen („center-draft lamps“) den Markt regelrecht erobert, nachdem Rochester Lamp Co. die spezielle, Fingerhut-ähnliche Flammscheibe mit dem Siebrohr in ihre Lampen integriert hatte. Sehr viele andere amerikanische Lampenhersteller sind diesem Beispiel gefolgt. Alle amerikanischen „Gone with the wind“-Lampen (siehe Kapitel Amerikanische Lampen) benutzen ein Messingbassin mit zentralem Luftzug, das wiederum in bemalten Glasvasen eingesteckt wird.
Deutsche und österreichische Lampenhersteller haben Brenner mit zentralem Luftzug oft in größeren Hängelampen benutzt und weniger als Tischlampen konzipiert. Die gefühlsmäßig untergeordnete Marktpräsenz der Zentralluftzug-Lampen in diesen Ländern kommt durch die immens große Vielfalt und Verbreitung der Tischlampen mit den normalen Rundbrennern mit Seitenluftzug.
Einige Brenner mit zentralem Luftzug und ihre Flammscheiben
Von links: 20‘‘‘ Triumph-Lampenbrenner von Ehrich & Graetz, Berlin
15‘‘‘ Favorit-Lampenbrenner von R. Ditmar, Wien
Brenner von Sepulchre, Lüttich
18‘‘‘ Brenner von Moreau Frères, Lüttich
Brenner von New Rochester Lamp (1892), Rochester Lamp Co., USA