© Arto Hanciogullari und T. Tsekyi Thür

Lampenschirme für Petroleumlampen

Die Tisch- und Salonlampen hatten im Gegensatz zu den einfacheren Petroleumlampen wie Küchenlampen, Handlampen, etc. immer einen passenden Schirm. Der Schirm vollendete nicht nur das Aussehen einer Lampe, er dämpfte auch das Licht der Flamme und erzeugte damit eine heimelige, bisweilen romantische Atmosphäre. Das menschliche Auge genießt die indirekte Beleuchtung einer Lampe mehr als das direkte, ungefilterte Licht einer Lichtquelle, vielleicht mit Ausnahme des Kerzenlichts. Damit kommt dem Schirm eine doppelte Aufgabe zu: er vollendet die Erscheinung der Lampe und erzeugt ein sehr angenehmes Licht. Folglich wurden Lampenschirme in unterschiedlichsten Formen und Größen, aber auch aus unterschiedlichen, als Schirm geeigneten Materialien angefertigt. Für die sichere Anbringung dieser Schirme an den Lampen benötigte man spezielle Schirmhalter oder –träger, die fast immer aus Messing bestanden.

Die meisten Lampen bei eBay werden ohne Schirm angeboten, da der Schirm entweder zerbrochen oder abhandengekommen ist. Ein weiterer Grund der nicht vorhandenen Schirme ist die Tendenz der Händler, Schirme immer separat zu verkaufen, da dadurch ein höherer Gewinn zu erzielen wäre. Wie dem auch sei, eine der interessantesten Aufgaben des Lampensammlers ist, den im Stil und in der Größe passenden Schirm für seine Lampe zu suchen.

Es gibt Schirme aus ganz unterschiedlichen Materialien. Das mit großem Abstand am meisten verwendete Material ist Glas in jeder Form und Farbe, da es aufgrund seiner Transparenz und seiner mannigfaltigen Möglichkeiten für Verzierungen das ideale Medium für einen Schirm ist. Es gab allerdings auch Schirme aus bedrucktem Karton als billige, unzerbrechliche Variante des Glases. Ein Höhepunkt der Schirmgestaltung bestand aus sehr ausladenden, opulenten, mit Spitzen und Bändern verschwenderisch verzierten Seidenschirmen für große Salonlampen. Ebenfalls für solche repräsentative Lampen wurden geeignete Glasschirme mit Stoffbordüren oder Glasperlen-Behängen verziert. Schirme aus Messingblech kamen in der Jugendstil-Zeit auf und waren beliebt wegen ihrer farbigen, kleinen Glaseinsätzen. Eine sehr reizvolle, leider auch extrem seltene Schirmart sind die Lithophanie-Schirme aus Biskuit-Porzellan. Diese Schirme werden nochmal detailliert im Unterkapitel Andere Schirme dargestellt.

Schirme für Petroleumlampen kann man in drei großen Gruppen einteilen:

a) Glasschirme mit einer breiten unteren Öffnung, die in geeigneten Schirmhalterungen (= Schirmreife) aufgesetzt werden (Vesta- und Rochester-Schirme)

b) Glasschirme mit einer kleinen unteren Öffnung, die in kleinen Schirmhalterungen (= Kugelringe) festgehalten werden (Kugel-, Tulpen- und Pariser Schirme)

c) Andere Schirme, die nicht zu den beiden oberen Gruppen gehören. Dazu werden z.B. Schirme, die nicht aufgesetzt, sondern in geeigneten Halterungen eingehängt werden, oder Schirme, die aus anderen Materialien hergestellt sind.

Diese drei Gruppen werde ich in einzelnen Unterkapiteln vorstellen.

 

Kragen und Kragenweite

Aber bevor ich diese unterschiedlichen Sorten der Schirme beschreibe, möchte ich noch einmal auf einen Begriff aufmerksam machen, den ich schon bei den Glaszylindern eingeführt hatte, nämlich auf den von mir selbst definierten „Kragen“. Mit diesem Begriff bezeichne ich nicht nur bei den Glaszylindern, sondern auch bei den Glasschirmen die untere Öffnung, da mir sonst ein adäquater deutscher Begriff dazu fehlt (vgl. dazu Kapitel Glaszylinder). Den äußeren Durchmesser des Kragens (von Außenwand zu Außenwand) benenne ich die „Kragenweite“.

Es gibt tatsächlich große Ähnlichkeiten in dieser Hinsicht zwischen Glaszylindern und fast allen Glasschirmen: Glastulpen, Kugelschirme, Pariser Schirme und Vesta-Schirme haben einen vertikal-zylindrischen, nur ca. 1 cm hohen unteren Rand, der dafür entworfen ist, genau in den metallischen Schirmhalter von der gleichen Größe zu passen. Rochester-Schirme haben – in Analogie zu Knick-, Kosmos- und Flaschen-Zylindern – keinen extra geformten Kragen. Ihr unterer Rand fungiert bei diesen Schirmen als Kragen. Ältere Kugelschirme für Modérateur-Lampen und Gaslampen-Schirme gehören auch zu dieser Klasse. Bei diesen letztgenannten Schirmen kann man ja keinen Außendurchmesser messen. Hier wird nur der innere Durchmesser der Öffnung angegeben.

Eine Besonderheit sind Kugel- und Tulpenschirme, die keinen zylindrischen, sondern leicht nach außen „gelippten“ Kragen aufweisen. Diese Schirme sind meistens für Elektrolampen entworfen, wo sie mit kleinen Schrauben an ihrem Kragen in der Elektrofassung der Lampe festgehalten werden. Es gibt auch Schirme mit einem gelippten Kragen, die auch genauso gut bei Petroleumlampen verwendet werden. Die Glasschirme der französischen Glasmanufaktur Vianne gehören zu dieser Klasse.

Die Kragenweite ist verständlicherweise die relevante Größe bei den Glasschirmen, denn sie charakterisiert die Größenklasse des Schirms und damit einhergehend auch die Größe des notwendigerweise zu verwendenden Schirmhalters. Bei allen Größenangaben (in mm) in den folgenden Unterkapiteln handelt es sich ausschließlich um die Kragenweite.

 

Kragen-Typen bei den Glasschirmen
Obere Reihe, von links: Vesta-Schirm – Tulpenschirm – Kugelschirm (alle drei mit dem typischen, zylindrischen Kragen für Petroleumlampen)
Untere Reihe, von links: Tulpenschirm mit gelipptem Kragen – Rochester-Schirm – Kugelschirm für Modérateur-Lampen (beide ohne Extrakragen)